Samstag, 26. November 2016

Ten Candles - Ein Erfahrungsbericht

Unser SL ist seit Kurzem extrem begeistert von Ten Candles, einem RPG, das mit sehr wenigen Regeln und Utensilien auskommt. Alles was man braucht sind ein paar W6, dicke, gut lesbare Stifte, 5 Karteikärtchen pro Spieler und 10 Teelichter. Mitte der Woche haben wir es dann endlich gespielt. Hier ist mein erster Eindruck:

In dieser ersten Runde waren wir 5 Spieler plus SL. Die Hintergrundgeschichte von Ten Candles war leicht erzählt: Vor zehn Tagen wurde die Welt plötzlich dunkel, Sonne, Mond und Sterne sind einfach verschwunden, entsprechend ist auch viel Technik zusammengebrochen. Nach 5 Tagen hatte sich die Menschheit gerade wieder beruhigt, dann kamen plötzlich SIE. Niemand weiß, wer oder was SIE sind, aber SIE hassen Licht und jagen Menschen. Es wurde auch klargestellt, dass die Charaktere nicht überleben werden und dass wir Spieler die Welt größtenteils selbst gestalten. Natürlich alles in einem realistischen Rahmen.

Die Regeln waren super einfach. Kurz gesagt würfelt man nur, wenn man einen Vorteil erhalten will oder eine schwierige Situation herrscht und nach jeder Szene geht eine Kerze aus und man verliert einen Würfel aus dem Gesamtpool. Man hat so viele Würfel wie Kerzen. Bei der Charaktererschaffung schreibt man sein Konzept und jeweils zwei positive und negative Eigenschaften auf die Karteikästchen. Bevor es losging, nahm jeder von uns noch eine Art Interview oder Abschiedsnachricht auf.

Anfangs waren wir noch ein wenig unbeholfen, da wir alles komplett selbstbestimmen durften, außer halt, wo wir starten und wohin wir wollen. Das wird von einem sogenannten Modul vorgegeben. Nur im Licht der 10 Kerzen war die Stimmung recht atmosphärisch und unheimlich, eben genau, wie das Spiel es will. In einem kleinen Raum sieht man natürlich die Umgebung noch recht gut, wer also das Gefühl des Verlorenseins und der bedrohenden Finsternis, in der etwas lauert, genießen möchte, sollte vielleicht in einem größeren Zimmer spielen. Wir planen auch schon, es mal in einem Saal zu testen.

Die ersten Szenen dauerten schon eine ganze Weile, eine sogar eine halbe Stunde, weil wir so gut gewürfelt haben. Mit jeder Szene nahm die Bedrohung immer mehr zu, die Schatten kamen näher und es wurde dunkler. Nach jeder Szene wird nämlich eine Kerze gelöscht. Dann folgt der Part, mit dem wir teilweise große Schwierigkeiten hatten. Wie bei einem Ritual werden zwischen den Szenen nämlich Fakten festgelegt. Der erste ist immer, dass die Welt dunkel ist, dann legen die Spieler reihum jeweils einen Fakt fest, beispielsweise, dass es noch andere Menschen in der Nähe gibt, dass es regnet oder sehr viele Autos herumstehen. Wie gesagt, damit haben wir uns teilweise und vor allem zu Anfang sehr lange aufgehalten. Die letzte Kerze ist für den Fakt "We are alive" reserviert, der gemeinsam von allen wiederholt wird. Interessanterweise merkte man während des Spiels daran auch den emotionalen Verlauf. Während wir es anfangs noch sehr enthusiastisch vorgetragen haben, wurde es etwa ab der fünften erloschenen Kerze hoffnungsloser, leidender und war nicht mehr ganz so synchron.

Auch merkte man deutlich, dass wir uns dem Ende näherten: Während die ersten Szenen noch sehr lange dauerten, wurden sie nach der Hälfte der Kerzen deutlich schneller, was sich auch in den Handlungen der Charaktere spiegelte. Statt lange nach Werkzeugen zu suchen, drängten sie nun immer mehr auf das Erreichen ihres Zielortes und taten auch mehr dafür, dieses so schnell es geht zu erreichen. Auch Fakten wie "Das Fort liegt näher als wir glauben" unterstreichen die Hektik und die Angst. Es war richtig schön, diese Entwicklung mitzuerleben.

Je mehr Kerzen erloschen, desto näher rückte auch die Finsternis und desto mehr erfuhren wir auch über SIE. Einer der Spieler durfte zu Anfang übrigens einen Fakt über SIE festlegen, der dann auch zum Tragen kam. Da das Regelwerk nichts weiter zu IHNEN festlegt (außer eben, dass SIE Licht meiden), können SIE in jeder Spielrunde komplett anders sein, wodurch das Spiel sich jedes Mal wieder unterscheidet.

Dann, als nur noch eine Kerze brannte, wurde es richtig dramatisch und hektisch. Der LAST STAND begann. "These facts are true: The world is dark and we are alive" hören wir ein letztes Mal, dann teilt uns der SL mit, dass unsere Charaktere in dieser letzten Szene alle sterben werden. Wir haben nur noch einen Würfel, unser Auto liegt im Graben und SIE kommen auf uns zu. Ein Charakter fällt auf die Knie und beginnt, sie anzubeten, andere versuchen noch, den Wagen wieder zum Laufen zu bringen oder SIE in die Luft zu jagen. Aber es besteht keine Hoffnung. Wurf um Wurf schlägt fehl - da die Sieler nur noch 1W6 haben und der SL nun 9W6, je einen pro erloschene Kerze - und ein Charakter nach dem anderen darf seinen mehr oder weniger glohrreichen Tod beschreiben. Der ein oder andere schaffte sogar noch eine Probe und konnte damit vielleicht noch ein wenig erreichen, bevor SIE ihn holten. Dann löscht der SL die letzte Kerze und spielt die Nachrichten, die wir anfangs aufgenommen haben, ab. Es ist unheimlich, das so zu hören, den Nachhall derjenigen, von denen wir wissen, dass sie nicht mehr leben und die Dunkelheit um uns herum verstärkt die Grabesstimmung noch mehr.

Kurz gesagt: Ten Candles ist nichts für Powergamer, die nur auf Werte bedacht sind, sondern ist ein atmosphärisches Erzählspiel, das ordentlich unter die Haut gehen kann. Die Stimmung war super, da kann man nichts bemängeln. Wir hatten außerdem zwei herausstechende Charaktere, eine Autistin und einen alten Kriegsveteranen, die sich von den anderen hervorgehoben haben. Es gab einiges Konfliktpotential und unterschiedliche Ansichten, die geregelt werden mussten und die Mission gefährdet haben.

Die Meinungen der Spieler waren größtenteils positiv, allerdings wurde angemerkt, dass das Spiel vielleicht schnell langweilig werden könnte, da viele Überraschungseffekte wegfallen, wenn man es öfter spielt. Zudem kam die Vermutung auf, dass erfahrene Spieler dann eher Fakten festlegen, die die Dramaturgie und die Schwierigkeit für die Gruppe deutlich erhöhen. Das lässt sich natürlich nur durch Ausprobieren herausfinden. Auch war die Idee da, die Interviews separat aufzunehmen, sodass die anderen Spieler sie erst am Ende hören.

Mir hat es jedenfalls sehr gut gefallen. Am Folgetag haben wir gleich noch eine Runde mit anderen Personen gespielt. Der Vergleichsbericht dazu kommt dann morgen.

8 Kommentare:

  1. Ich selbst bin unentschlossen. Manches klingt sehr gut, anderes total langweilig.

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    1. Was genau klingt denn langweilig? Vielleicht kann ich dir da noch mehr Details darüber liefern, damit du dir ein besseres Bild machen kannst :-)

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    2. Ein starker Antrieb ist für mich die Herausforderung - und gerade das feste Wissen, dass man am Ende stirbt, nimmt einen Teil davon. Muss ich halt sehen, ob das von anderen Elementen aufgefangen wird. Auch, wenn man es dreimal gespielt hat, vermute ich Abnutzungserscheinungen.

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    3. Ja gut, große Herausforderungen un Hero-Play wird man bei Ten Candles wohl nicht finden, ist halt Tragic Horror, kein Survival Horror. Ein schönes Stimmungs- und Erzählspiel für die dunkle Jahreszeit oder mal für Zwischendurch, weil es doch recht schnell geht und keine großen Vorbereitungen braucht. Dauernd hintereinander würde ich es aber auch nicht spielen wollen, das stimmt schon.

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    4. Die Prämise, dass man am Ende Stirbt und dies von Anfang an weiß, ändert das Mindset.

      - Man sieht den GM nicht mehr als Gegner sondern als Mitspieler.
      - Es gibt keine falsche Hoffung (wie bei den meisten Survivel Horror Scenarios).
      - Man ist weniger Konzetriert bzw. Versteift alles zu tun um zu Überleben sondern hat einen breiteren Blickwinkel für alle Bereiche des Spiels.
      - Es fördert, dass Zusammenspiel. Alle Spieler wissen dies und können gemeinsam darauf hinarbeiten.

      Es geht nicht um das Gewinnen oder Überleben sondern gemeinsam eine interessante und möglichst spannende Geschichte zu entwickeln.

      Wie der Autor schreibt "Es geht nicht ums Überleben oder Sterben, sondern darum wie und warum und was bis dahin in den "Letzten Stunden" des Lebens passiert.

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  2. Als Teilnehmer der Testrunde kann ich sagen, dass Ten Candles sich alleine für die Atmosphäre lohnt. Die war herausragend und alle Spieler haben sich schnell in ihren Charakteren und der Welt verloren.
    Ich persönlich glaube, dass Ten Candles beim erneuten Spielen noch besser wird, wenn die Fakten flüssiger kommen und das Spiel noch intuitiver wird.

    Meine letzte Anmerkung wäre noch, dass man sich die Mühe machen sollte die Ten Candles Erfahrung komplett in Deutsch zu halten. Die englischen Sprüche und Stichwörter mögen cooler klingen, aber sie nehmen einen Teil der Atmosphäre, die hier so wichtig ist.

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    1. Die 2. Runde haben wir tatsächlich mit den englischen Begriffen gespielt, statt zu versuchen, alles zwanghaft einzudeutschen. War wesentlich angenehmer so und dasEnglische stört auch nicht.

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  3. Meine Erfahrungen sind ähnlich. Besonders gut fande ich die "Charaktererstellung" mit den 5 Karteikarten. Eine riesen Überraschung war es, als der Sl dann verlangt hat unsere Karten zu tauschen, wodurch tolle aber auch merkwürdige charakterkonzepte geboren wurden, welche dann auch sehr interessante Geheimnisse und Dynamiken entwickelten. Generell war die Runde sehr atmosphärisch, eine schwarze Tischdecke, gelöschtes Licht, Kerzen, Karten, Stifte, Würfel ein Aufnahmegerät und offene Spieler machten die Runde für mich ein ich glaube "einzigartiges" Erlebnis. Dieses einzigartige Erlebnis ist für mich allerdings auch der Kritikpunkt des Spiels. Ich glaube, dass ich nie wieder die selbe Erfahrung durch das Spiel machen kann wie beim ersten Mal (ja das trifft auf viele "erste Male" zu, trotzdem...). Mir ist auch klar, dass jede Runde unterschiedlich verläuft und es nie das Gleiche sein wird, trotzdem glaube ich dass es trotzdem schnell langweilig wird. Um mich davon zu überzeugen würde aber allzugerne nochmal ne Runde spielen, vielleicht lieg ich ja auch komplett falsch.

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